Angst - allgemein

 

Zunächst einmal ist die „Angst“ etwas, dass für das Überleben unserer Hunde sehr wichtig ist, weil sie ein Warnsignal ist vor Gefahren. Nur damit ist es dem Hund möglich sich in seiner Umgebung zurecht zu finden und sozusagen einen „Sicherheitsanker“ zu etablieren.

 

Sehr unterschiedlich sind die Reaktionen auf bestimmte Ereignisse, auf Situationen, die möglicherweise als Bedrohung wahrgenommen werden.

 

Es gibt eine auf den jeweiligen Hund vorhandene Ausprägung von Ängstlichkeit oder Furchtsamkeit.

 

Dies wiederum hängt von dem bisherigen Leben, den Erfahrungen und dem Lebensverlauf ab, wie der einzelnen Hunde bestimmte Umweltereignisse empfindet.

 

Reiz-Reaktions-Kopplung

Hat ein Hund beispielsweise mit „Männern“ sehr schlechte Erfahrungen gemacht, weil er von einem Mann geschlagen worden ist (= negativer Reiz), so prägt dies sein künftiges Leben. Diese Erfahrungen können in dem Hund eine „Angst vor Männern“ etablieren. (= Reiz-Reaktions-Kopplung)

Hat er Angst vor Geräuschen entwickelt, so wird er diese Ängste möglicherweise entwickeln.

 

Nicht zu unterschätzen ist, dass Hunde, die zu einer Ängstlichkeit neigen und möglicherweise verschiedene Reize als bedrohlich wahrnehmen, auch auf andere (vergleichbare) Reize mit Angst reagieren können.

 

So neigen viele ängstliche Hunde auch zu einer Geräuschangst, obwohl deren negativer Reizauslöser etwas völlig anderes als Geräusche ist.

 

Das bedeutet, dass der ursprüngliche Reiz, der beim Hund die Angst auslöst, übertragen wird auf andere Reize, daraus kann eine generalisierte Angst entstehen.

 

Es ist bekannt, dass insbesondere die „Geräusch-Angst“ als sich entwickelte Angststörung bei Hunden sehr häufig beobachtet wird.

 

 

Trennungsangst

Ebenfalls wird häufig aus bestehenden Ängsten eine Trennungsangst entwickelt, sie für den Hund mit sehr viel Stress verbunden ist.

 

Auch hier sehr wichtig, die Lebensgeschichte, die Entwicklung und auch die Erfahrungen der Hunde zu kennen.

Häufig wird bei Hunden aus dem Tierheim oder dem ausländischen Tierschutz diese Trennungsangst festgestellt. Solche Hunde, die eine neue und positive Beziehung zu ihrem Frauchen/Herrchen aufgebaut haben, fällt eine Trennung aufgrund ihrer Vorgeschichte schwerer.

Aber auch Welpen, die es nicht gelernt haben, allein zu bleiben, können diese Trennungsangst sehr deutlich entwickeln.

 

Angst und Aggression

Ängste können aggressives Verhalten auslösen und das dürfen wir keinesfalls unterschätzen.

 

Ein Hund, der eine Situation, ein Ereignis erlebt und es ihm nicht möglich ist für „Abhilfe“ aus sich selbst heraus zu sorgen, empfindet Stress, eine für den Hund sehr belastende Situation.

 

Es gibt die sogenannten 3-Fs: FIGHT, FLIGHT, FREEZE.

Das bedeutet, entweder KAMPF, FLUCHT oder STARRE.

 

Das sind die Reaktionen, die der Hund als Möglichkeit hat.

 

In stressigen Situationen werden die entsprechenden Hormone in Sekundenschnelle ausgeschüttet.

Zunächst kommt es zu einer Aktivierung des Sympathikus und einer Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin, direkt aus dem Nebennierenmark. Damit erfolgt eine direkte Wirkung auf das Gehirn, weil die Hormone als Neurotransmitter wirken. Dazu kommt es in der Folge auch zu einem Blutdruckanstieg.

 

Da ist der Hund wie auf „vollen Touren“. Daraus entwickelt er sehr viel Kraft und Power und auch das Reaktionsvermögen.

Das ist aber keine einseitige Reaktionskette, sondern vielmehr wird andererseits das geistige Entscheiden sehr eingeschränkt. Die daraus entstehenden Reaktionsmuster dienen allein dem Kampf ums Überleben. Der Hund wird über die Hormonsteuerung dazu befähigt. Die Konzentration ist ausgerichtet aufs Überleben, damit verbunden eine höheres Stresspegel und auch mögliche Aggressionstendenzen. Der Grund ist, dass das Serotonin verdrängt wird, das nämlich für eine „planvolles Handeln“ zuständig ist.

 

Damit hat dieser Prozess sowohl Auswirkungen auf den Körper als auch die geistigen Fähigkeiten.

 

In beispielsweise bedrohlichen Situationen braucht der Hund unter anderem Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, und weniger das „planvolle“ Handeln. Viel wichtiger im „Überlebenskampf“ sind schnelles und effektives Handeln.

Vereinfacht und im übertragenen Sinne ist dann die „Vernunft“ ausgeschaltet. Unsere Hunde sind dann nicht ansprechbar.

 

Sehr unterschiedliche Angstauslöser

 

Es gibt sehr unterschiedliche Angstauslöser bei unseren Hunden. Es können Menschen, Örtlichkeiten, bestimmte Situationen sein, auch Artgenossen oder Geräusche.

 

Wichtig ist, dass herausgefunden wird, welcher Reiz oder welche Reiz-Reaktions-Kopplung die Ängste beim Hund auslöst/auslösen.

 

Je nachdem welche Reaktion beim Hund ausgelöst wird, ist es ratsam, dass ein Hundepsychologe/Hundetrainer mit ausreichender Erfahrung zu Rate gezogen wird. Insbesondere bei Hunden, die zu aggressiven Verhalten neigen, sollten ohne fachliche Unterstützung keine „Versuche“ von Konditionierungen gestartet werden.

 

Umgang mit Ängstlichkeit

 

Manchmal neigen wir dazu, unseren Hunden gänzlich die Vermeidung zu gestatten. Selbstverständlich erleichtert es zunächst, da der Reiz vollständig vermieden wird. Jedoch ist immer zu bedenken:

  • Nicht jeder Reiz kann für immer gänzlich vermieden werden.
  • Je mehr es vermieden wird, sich der angstauslösenden Situation zu stellen, umso stärker wird sich die Angst manifestieren.

Besser ist, wie beim Menschen auch, dass nicht der Reizauslöser gänzlich vermieden wird, der Hund sozusagen „geschont“ wird, sondern dass mit richtiger Konditionierung der Hund mit der reizauslösenden Situation zurechtkommt, also lernt damit umzugehen.

 

Wenn wir an die Angst-Aggression zurückdenken, so kann sich diese Aggression intensivieren, wenn sie für den Hund erfolgreich erscheint.

Beispielsweise bei der Leinen-Aggressivität, die mit einer Angst gegenüber einem Artgenossen verbunden ist, kann das „erfolgreiche“ aggressive Verhalten dann für den Hund erfolgreich sein, wenn die Leinen-Aggressivität dazu führt, dass der Artgenosse vertrieben wird. Demzufolge erscheint dem Hund sein aggressives Verhalten an der Leine als erfolgreich und er wird es zukünftig beibehalten.

 

Es muss noch einmal eindringlich darauf hingewiesen werden, dass es für „Laien“ durchaus sehr schwierig ist, einen Hund mit stressinduziertem aggressivem Verhalten selbst gegenzukonditionieren. Möglicherweise wir das Ergebnis zu einem weiteren unerwünschten Verhalten führen.

 

Konditionierungen

Ohne weitere auf detaillierte Konditionierungsaspekte einzugehen, vor ab ein Beispiel.

 

Rückruf-Aktion

Der Hund wird verbal oder mit Hundepfeife dazu motiviert zu uns zurückzukommen und wir mit einem Leckerli belohnt.

Verhalten: der Hund kommt zurück.

Belohnung: Leckerli.

 

Diese Konditionierung ist immer ein „Gewöhnungsprozess“.  Das bedeutet, dass der Hund an diese Prozesse herangeführt werden muss.

 

Sehr entscheidend bei einer Konditionierung ist der Zeitfaktor. Es ist davon auszugehen, dass der zu konditionierender Reiz dem unkonditionierten Reiz etwa 0,5 bis 1 Sekunde vorausgehen muss.

 

Insofern bestimmte Verhaltensweisen zu einer neuen Verhaltensweise oder Handlung hingesteuert werden sollen, geht es um die bewusste Steuerung.

 

Im Ergebnis muss dem Hund etwas Positives als „Lern-Erfolgseffekt“ angeboten werden, wir brauchen also einen positiven Verstärker als motivierende Unterstützung.

 

Ein Hund, der beispielsweise große Angst vor der Sylvester-Böllerei hat, ist schwieriger mit einer „Gegenkonditionierung“ zu desensibilisieren, als das „Einstudieren“ von Sitz oder Platz.

 

Denn, eine mit Angst besetzt Situation löst in dem Hund, wie bereits beschrieben Stress aus, mit den damit verbundenen Hormonausschüttung und diese Erlebnisse sind vom Hund nicht steuerbar.

 

Ein Hund, der auf Geräusche ängstlich reagiert, kann nur in „stressfreien Zeiten“ trainiert werden, also keinesfalls am Sylvester-Tag während des Feuerwerks.

 

Desensibilisierung

 

Wenn es unser Ziel ist, unserem Hund die Angst zum Beispiel vor der Böllerei an Sylvester oder vor Gewittern zu nehmen, so kann das in einem Prozess der Desensibilisierung erfolgen. Dieser Weg muss systematisch sein, ohne Druck und, über längere Zeit vor Sylvester oder in „gewitterfreien Zeiten“ schon beginnen, denn es ist ein Gewöhnungsprozess, der Wochen oder sogar Monate brauchen wird.

 

Ziel ist es, dass der Reizauslöser, also das Geräusch als etwas Unangenehmes abgewöhnt wird und mit etwas Positivem in Verbindung gebracht wird.

 

Dabei ist es wichtig, dass die momentane Situation entspannt ist, frei von Stressoren oder belastenden Geräuschen. Wir müssen unseren Hund in eine Situation bringen, die ihm Spaß und Freude bereitet. Das ist der Einstiegprozess in die Desensibilisierung.

 

Wenn wir Geräusche desensibilisieren, dann beginnt das Training immer mit einem nicht lauten „Zwischengeräusch“, es kann ein „Klick-Geräusch“ sein, oder das leisere „Händeklatschen“. Liebe etwas zu leise und weiter entfernt vom Hund als zu laut und zu nahe beim Hund. Dennoch muss das Geräusch für die Hund „hörbar“ sein.

 

Nun ist es wichtig den Hund zu beobachten, wie er reagiert. Wenn er auf das Geräusch kaum oder gar nicht reagiert und weiter ruhig bleibt, der Hund kein ängstliches Verhalten zeigt, ist das Training in Ordnung.

Als Belohnung wäre das Leckerli für den Hund die „positive Konsequenz“ für sein Verhalten.

 

Zeigt er jedoch ein ängstliches Verhalten, war der Trainingsreiz zu intensiv, vielleicht zu laut, oder das Geräusch an sich für den momentanen Trainingszustand nicht OK. Dann müssen wir das Training verändern.

 

Im weiteren Trainingsverlauf kann der Abstand des Geräuschs zum Hund verringert werden. Die Reaktionen des Hundes wieder müssen sehr genau von uns registriert werden. Wie ist die Körpersprache? Ängstlichkeit? Unsicherheit? Wichtig ist, den Hund nicht zu überfordern.

 

Die Trainingssteuerung muss auf den einzelnen Hund bezogen gestaltet werden. Keinesfalls darf das Training zeitlich zu intensiv und zu schnell vorangehen, es geht um die Gewöhnung und das braucht Zeit.

 

In den weiteren Trainingsschritten wird die Distanz zwischen dem geräuschauslösenden Reiz zum Hund immer mehr verringert.

 

Wenn der Hund bei den ausgelösten Geräuschen ruhig bleibt, bekommt er die Belohnung.

 

Zwischen den einzelnen Geräusch-Reizen müssen Pausen eingelegt werden. Das bedeutet, dass die Trainingsschritte in zeitliche Etappen umgesetzt werden. Und immer wieder die Reaktionen des Hundes beobachten.

 

Dann werden die Geräusche verändert, auch hinsichtlich der Lautstärke. Möglich wäre beispielsweise, dass wir uns eine „Sylvester-Böllerei“ per Handy herunterladen und diese Lautstärke sukzessive erhöhen, nach und nach näher an den Hund herangehen.

Bleibt der Hund entspannt und ist nicht gestresst/ängstlich, dann ist die Trainingsintensität in Ordnung.

 

Dennoch ist es nicht garantiert, dass ein Hund bei den nächsten Sylvester-Böllerei wirklich total cool und relaxed sein wird, weil die „Orginal-Böllerei“ kaum mit einem Handy hinsichtlich der Live-Töne nachzuahmen ist.

 

Aber, diese Desensibilisierung ist eine Methode, die es durchaus für manche Hunde möglich macht, nicht nur Sylvester, sondern auch die Gewitter, besser zu überstehen.

 

Und ja, es gibt Hunde, die mit dieser Desensibilisierung inzwischen auch Sylvester prima überstehen, manchen macht es sogar keinen Stress mehr.

 

Ja, es ist immer anzuraten, dass eine solche Desensibilisierung mit fachlicher Anleitung erfolgt.